Zwischentief

Ich habe schon länger nichts mehr geschrieben. Was war los?

In den vergangenen zwei Monaten ging es mir mal weniger gut, dann wieder besser. Nichts Dramatisches, nur die üblichen Wetterwechsel in meinem Kopf. Aber ich schob aus verschiedenen Gründen das Schreiben auf, und ich fand es immer schwieriger, wieder hierher zurück zu finden. Im Folgenden der Versuch einer Analyse, was mich davon abgehalten hat.

Schatten

Kurz nachdem ich meinen letzten Beitrag veröffentlicht hatte, spürte ich, wie ich in ein Motivationstief abrutschte. Es gab gewisse Auslöser, aber ich verstehe nicht vollständig, warum diese plötzlich stark genug waren, wieder jene Gefühle in mir aufwallen zu lassen, die ich seit einem Jahr recht erfolgreich abgewehrt hatte.

Damals, im Frühjahr 2016, war ich in einem tiefen Loch versunken. Jeden Morgen grübelte ich im Bett stundenlang (und ohne Ergebnis) darüber nach, wie ich jener verkorksten Situation entkommen könnte, in die ich mich über die Jahre hineinmanövriert hatte. Keine abgeschlossene Ausbildung, ein abgebrochenes Projekt nach dem anderen. Ein perspektivloser Job, den ich von Tag zu Tag mehr hasste. Ich war tief verzweifelt und gleichzeitig ohne einen Funken Kraft, mir selbst zu helfen.

Meine Hoffnungslosigkeit wuchs so stark, dass ich immer öfter daran dachte, dem Ganzen ein Ende zu setzen, statt mein Umfeld weiterhin mit meiner überflüssigen Existenz zu belasten. Vielleicht sollte ich eines Abends auf dem Heimweg den Bahnübergang nicht überqueren, sondern den Gleisen folgen? Wie wäre es mit Schlaftabletten und einem Plastiksack? Oder ich könnte mein Gehirn auf dem Kopfsteinpflaster unter dem Grossmünster zerspritzen lassen.

Offensichtlich habe ich noch die Kurve gekriegt. Vergangenen Sommer begann ich, ein Antidepressivum zu nehmen. Gleichzeitig kündigte ich meinen Job. Bald ging es mir wieder besser.

Diesmal war es bei Weitem nicht so schlimm. Aber im März wehte mich ein oder zwei Wochen lang wieder jener altbekannte Eiswind an, und das Problem, wie es mit mir weitergehen soll, stand gross und unlösbar im Raum.

nebel-wald

Zweifel

Als ich mich wieder etwas gefangen hatte, konnte ich doch nicht die Frage abschütteln, ob es sinnvoll ist, was ich tue.

Was soll das alles hier? Wen interessiert schon, was ich schreibe? Sollte ich mich nicht endlich darum bemühen, wieder in die reguläre Arbeitswelt eingegliedert zu werden, statt meine Zeit und Vaters Geld mit naiven Weltverbesserungsvisionen zu verplempern? Alles schön und gut, aber davon kann man nicht leben.

Und woher weiss ich denn, dass meine auf eigene Faust betriebenen Studien und Recherchen irgendeinen Gehalt haben? Gehe ich nicht bloss irgendwelchen linken Verschwörungstheorien und Propaganda auf den Leim? Oh, der böse Kapitalismus ist an allem schuld, buhu! Was, wenn ich völlig auf dem Holzweg bin? Ich mache mich bloss lächerlich.

Solche Zweifel nagen an der eigenen Überzeugung, lähmen die Schaffenskraft. Tue ich das Richtige? Lohnt es sich, in diese Richtung weiter zu gehen? Hat was ich mache irgendeinen Wert für die Aussenwelt?

Ich schätze es sehr, dass mir niemand vorschreibt, was ich zu tun habe. Aber da ich meinen Kurs selbst bestimme, kann ich bei einer Sinnkrise nicht einfach auf Autopilot schalten und Dienst nach Vorschrift leisten, sondern muss schauen, dass ich meinen eigenen Antrieb wieder finde.

Frustration

Selbst wenn es mir gelingt, meine Zweifel zu überwinden, heisst das noch lange nicht, dass ich auch etwas zustande bringe. Mögen meine Absichten auch noch so lauter und meine Motivation noch so stark sein – trotzdem kann ich mit meiner Nussschale an den harschen Klippen der äusseren Umstände zerschellen.

In den vergangenen Wochen habe ich mich recht intensiv als Freiwilliger für Greenpeace eingesetzt. Es traf sich gut, dass eine aktuelle Kampagne der Umweltorganisation gegen die Verstrickung der Credit Suisse in die Finanzierung der Dakota Access Pipeline vorgeht, über die ich an dieser Stelle auch schon geschrieben habe (siehe hier).

Ich freute mich also sehr, als ich von der medienwirksamen Greenpeace-Aktion an der Generalversammlung der CS erfuhr, über die man hier mehr erfahren kann. Über den Köpfen von Tidjane Thiam und Urs Rohner entfaltete sich ein riesiges Banner „Stop Dirty Pipeline Deals“ und brachte die Herren wenigstens ein paar Minuten lang aus dem Konzept.

Vielleicht ist es noch zu früh für ein Fazit über die Wirkung der Aktion. Aber nachdem die erste Euphorie verflogen und die Story von den Startseiten der Newsmedien verschwunden war, wuchs bei mir die Ernüchterung. Die Grossbank weist weiterhin alle Anschuldigungen von sich und hat bisher keine Änderung ihrer Investitionspolitik verkündet. Sie kommt mir vor wie ein sturer Oger, der sich nicht von einer Mücke irritieren lässt, die seinen verkrusteten Rücken sticht.

shadow-of-the-colossus

Mein Aktivismus wirft für mich neue Fragen auf: Was erreiche ich mit meinem Engagement? Trage ich dazu bei, Probleme zu lösen, oder ist alles nur verlorene Liebesmüh? Wie kann man die Entscheidungsträger globaler Unternehmen zu einem Umdenken bewegen?

Zudem erfahre ich, dass nicht bloss die ganz realen Machtverhältnisse meinem Handeln Widerstand entgegen setzen, sondern manchmal auch die Strukturen in den eigenen Reihen. Ich habe Verständnis dafür, dass eine so grosse Organisation wie Greenpeace ein gewisses Mass an Bürokratie braucht – nur schon, um sich rechtlich abzusichern. Was weitaus mehr an meiner Geduld zehrt, sind die quälend trägen und kaum zielgerichteten Abläufe in der Freiwilligengruppe. Dort stosse ich gegen eine Wand.

Daher wächst im Moment mein Bedürfnis, selbstständiger zu handeln, und nicht im Rahmen einer Institution. Ich denke mir, dass ich im Alleingang agiler bin und geschickter mit verschiedenen Taktiken experimentieren kann.

Ich lerne, dass es dringend notwendig ist, kritisch zu reflektieren, welche Aktionen etwas bringen und welche nicht. Steter Tropfen höhlt den Stein, aber wann ist es nur ein Tropfen auf dem heissen Stein? Um einen Riesen zu Fall zu bringen, braucht es eine kluge Strategie. Mehr dazu wahrscheinlich im nächsten Artikel.


Titelbild: Hermit Crab by Dan Pearce / flickr
Nebel: Foggy Forest 2 by Felix Meyer / flickr
Shadow of the Colossus: Screenshot by usgamer.net

3 Gedanken zu “Zwischentief

  1. Also ich denke, alles wofür sich ein Mensch mit ehrlichem Bemühen einsetzt, hat einen Wert, und unser Leben ist eine fasziinierende Aufgabe, die wir niemals hinschmeissen sollten. Aber es kann sinnvoll sein, neben allem anderen einen ganz stinknormalen Platz in der verdammten Arbeitswelt zu suchen (wenn man das Glück hat einen zu finden). Ich habe das selber schmerzhaft und doch heilsam erfahren müssen!

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  2. Grossartig! Du beweist viel Mut dein Inneres preiszugeben und darüber zu schreiben, was viele ebenfalls denken, selber erleben, aber sich nicht trauen zu sagen. Danke.

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